Wüstung ist die Bezeichnung für eine Siedlung oder Wirtschaftsfläche (Landwirtschaft, siehe dazu Flurwüstung, Handwerk, Industrie), die in der Vergangenheit aufgegeben wurde, an die aber noch Urkunden, Flurnamen, Reste im Boden, Ruinen oder örtliche mündliche Überlieferungen eriZeiten, in denen viele Siedlungen durch Bevölkerungsrückgang aufgegeben wurden, nennt man Wüstungsperioden. Aufgegebene Siedlungen vorgeschichtlicher Zeit werden nicht als Wüstung bezeichnet.

Das Wüstungsschema nach Scharlau

Der Geograf Kurt Scharlau hat in den 1930er Jahren verschiedene Arten von Wüstungen unterschieden. Sein Schema wurde seitdem mehrfach erweitert, wird aber kritisiert, da es der Dynamik der Siedlungsexpansion und -regression (= Wüstungsprozesse) nicht gerecht werde. Scharlau unterscheidet:

  • Dorfwüstung

  • Flurwüstung

  • partielle Wüstung (teilweise Aufgabe)

  • totale Wüstung

  • temporäre Wüstung (zeitweiliges Verlassen und Wiederbesiedlung)

  • permanente Wüstung

Siedlungswüstungen

Mit Siedlungswüstungen bezeichnet man völlig aufgegebene dörfliche Siedlungen. Ausgeprägte Wüstungsvorgänge gab es im frühen und späten Mittelalter.

Viele Wüstungen werden nur zufällig entdeckt, weil sie von Wald oder Buschwerk überwachsen sind bzw. durch Erosion eingeflacht wurden. Manchmal machen sich verborgene oder eingeebnete Wüstungen in Luftbildern bei flachem Sonnenstand durch ihren Schattenwurf bemerkbar. Andere Arten sind aus der Luft oder mit Satelliten-Photogrammetrie erkennbar, weil sie – wie auch antike Grundmauern – Farbanomalien im Boden oder beim Bewuchs verursachen. Oftmals zeugen urkundliche Erwähnungen von Orten, die in der Folgezeit nirgendwo in jener Region erwähnt werden. Weitere Indizien für abgegangene Siedlungen können besondere Nutzungsverhältnisse sein, etwa Gartenareale weit außerhalb bestehender Siedlungen oder Unregelmäßigkeiten in der Dreizelgenwirtschaft.

Wüstungen sind kein Phänomen allein der europäischen Siedlungsgeschichte: Auch in Afrika (vor allem im Umkreis der Sahara) und in früheren Bergbaugebieten Europas (Sardinien) kommt es aus wirtschaftlichen Gründen zu Wüstungen. Auf Gotland gibt es die Wüstungen Fallet, Fjäle in Ala, Paviken, Stavars hus, Vallhagar und andere. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Ortswüstungen, die sich auf die Wohn- und Wirtschaftsgebäude beziehen, und Flurwüstungen, welche die aufgegebenen Äcker und Wiesen bezeichnen. Diese können teilweise oder vollständig wüstfallen (partielle/totale Orts- und Flurwüstung).

Flurformenrelikte wie Langstreifengewannflur, Wölbäcker und Lesesteinhaufen, die man heute noch unter Wäldern findet, deuten auf Flurwüstungen hin.

Hohe Phosphatwerte in Bodenproben, eingesunkene Kellergruben, Hauspodien, Reste von Mauerfundamenten oder alte ehemalige Dorfbrunnen weisen auf Ortswüstungen hin.

Spätmittelalterliche Wüstungsperiode und Wüstungsursachen

Im 14. und 15. Jahrhundert wurden überdurchschnittlich viele Siedlungen aufgegeben, wobei landschaftliche Unterschiede zu bemerken sind. Bei der Analyse der Ursachen für diese Wüstungsperiode ist zu berücksichtigen, dass es bereits zuvor zu zahlreichen Wüstungsbildungen gekommen ist, die mit der hochmittelalterlichen Umstrukturierung der ländlichen Sozial- und Wirtschaftsstrukturen (z. B. Dorfgenese, Einführung der Dreizelgenwirtschaft) zusammenhängen sowie als Folge der im 13. Jahrhundert zunehmenden Stadtgründungen zu sehen sind. Faktoren der spätmittelalterlichen Wüstungsperiode

  • Fehlsiedlung: Rücknahme von Siedlungen, die im Rahmen des Landesausbaus an ungünstigen Standorten gegründet wurden

  • Agrarkrise, Wirtschaftskrise, Missernten

  • Bodendegradation durch Rodung und Übernutzung (unter Einwirkung von Extremwetterereignissen[1])

  • Bevölkerungsrückgang infolge der Pest

  • Bauernlegen, d. h. Einziehung des Landes durch den Gutsherren

  • Zunehmende Konzentration in Großdörfern

  • Andauerndes Wachstum der Städte

  • Folgen der spätmittelalterlichen kleinen Eiszeit (Mitte 15. Jahrhundert)

  • Kriegsfolgen: Zerstörungen nicht nur im

Dreißigjährigen Krieg

 

 

 

 

Quelle.Wikipedia